JDF: kein plug & pray
18 September 2020
JDF ist aus der Grafikproduktion nicht mehr wegzudenken. Trotzdem wurde Kritik geäußert, unter anderem von Heidelberg. Robert Hartman vom MIS-Anbieter Dataline unterstreicht die Bedeutung des Standards. „Es wäre wichtig, dass sich noch mehr Anbieter der Plattform anschließen.“
Vor der Einführung seines neuen Workflow-Systems Zaikio machte der deutsche Druckmaschinenhersteller Heidelberg gewagte Aussagen über die Bedeutung des JDF-Standards. Angeblich wäre eine Anbindung über APIs (Application Programming Interface) an das neue „offene“ System sehr viel vorteilhafter.
Robert Hartman, Business Development Manager beim MIS-Anbieter Dataline, stimmt der Abwertung von JDF nicht zu und wundert sich über die Aussage „JDF hat nie richtig funktioniert“. Hartman: „JDF funktioniert zuverlässig und hat eine Zukunft. Dataline zählt Kunden, deren Workflow vollständig auf JDF basiert. Sie profitieren von einer Prozessautomatisierung, die ohne JDF gar nicht möglich wäre. Ein Beispiel sind personalisierte Artikel und Barcodes, die sicherstellen, dass das richtige Cover mit den richtigen Innenseiten kombiniert wird.“
Konsistent
CIP4, die Organisation hinter dem Standard, wollte durch die Entwicklung von JDF eine Verbindung aller Prozessschritte in der Grafikproduktion ermöglichen. Der Standard beschreibt den gesamten Prozess und sorgt für den eindeutigen Datenaustausch zwischen Maschinen und Software. Hartman: „JDF wird nicht mehr allein verwendet. Früher begann der Prozess mit dem Eingang eines Auftrags. Heutzutage bestehen Anbindungen zum Endkunden über APIs. Das kann ein Bestellsystem, ein Web-to-Print-Portal oder eine andere Anwendung sein. Aufträge gehen auf definierte Weise in einer XML-Datei über eine API ein. Diese Daten werden automatisch in einen herkömmlichen Auftrag mit allen zugehörigen Spezifikationen umgesetzt. Anschließend kommt JDF ins Spiel – als Bestandteil des gesamten Ablaufs.“
„Ganz wichtig: JDF ist konsistent. Sobald der Workflow läuft, kann man darauf vertrauen. Weil sich jeder an die vereinbarten Standards hält, bleibt alles stabil. Schwieriger wird es, wenn wir den Standard abschaffen und jeder Anbieter eine eigene API erstellt. Anpassungen an einzelnen Stellen wirken sich dann auf den gesamten Workflow aus.“
„Es ist kein Plug & Play, aber auch kein Plug & Pray“
Robert Hartman — Dataline
Mittlerweile spielen APIs im Produktionsprozess jedoch eine immer größere Rolle. Kunden möchten ihre Aufträge automatisch an die Druckerei senden und benötigen dazu Anbindungen, die bei JDF nicht vorgesehen sind. Hartman: „Es ist kein ,entweder-oder‘ zwischen JDF und API-Anbindung. Beide sind komplementär und können unabhängig voneinander bestehen. Die Funktionalität von APIs wird immer umfassender, aber man kann damit nie die gesamte Anwendung abdecken. Die Anwendung weist programmeigene Logik auf. Deshalb ist SAP auch noch nicht in die Grafikmedienbranche vorgedrungen. Bis zum Endprodukt müssen einige Zwischenschritte durchlaufen werden. Die Intelligenz der Anwendung kann nicht vollständig über eine API bereitgestellt werden. Der JDF-Standard hingegen beschreibt alles. Jeder in unserer Branche weiß, dass es verschiedene Falzschemata gibt. Das ist in JDF festgelegt. Wird ein JDF-Jobticket an eine Anwendung übermittelt, die JDF unterstützt, ist das Ergebnis immer richtig.“
Natürlich hat JDF auch seine Grenzen, wie Hartman erklärt. „Es gibt Dialekte, die nicht zu vermeiden sind. Sie können Private Tags hinzufügen (Codierungen, die nicht in der JDF-Spezifikation enthalten sind, Anm. d. Red.). Damit gehen wir sehr vorsichtig um, weil dann spezielle Anbindungen an ein bestimmtes System entstehen. Ändert sich später etwas in der Software, funktioniert eine solche Codierung nicht mehr.“
Es wird laut Hartman nie gelingen, alle Produktionsspezifikationen in JDF festzulegen. „Dafür ist der Produktionsprozess zu komplex. Es wäre ein Erfolg, wenn wir 60 oder 70 Prozent erreichen. Es ist kein Plug & Play, aber auch kein Plug & Pray. Für uns kommt es darauf an, dass wir nicht für jeden Anbieter eine separate Anbindung entwickeln müssen. Das ist die große Stärke von JDF.“
Kein Allheilmittel
„Durch die Kombination von API's und JDF lässt sich die Produktion weitgehend automatisieren. Das ist beispielsweise wichtig, wenn Aufträge einer Internetdruckerei automatisch eingehen. Ohne Automatisierung werden diese Aufträge nicht schnell genug bearbeitet – dann sinkt die Rentabilität“, erklärt Hartman.
Neue Entwicklungen wie Datenanalyse und Robotik gewinnen immer mehr an Bedeutung. Dafür ist JDF nicht geeignet. „Eine API ist kein Allheilmittel, spielt aber bei dieser Art von Anbindungen eine immer größere Rolle. Auch wir müssen in solchen Sonderfällen eine API einrichten.“
‘JDF macht Sie herstellerunabhängiger.’
Robert Hartman — Dataline
In den letzten Jahrzehnten rief Heidelberg die Kunden dazu auf, alle Produktionsmittel bei ihnen zu kaufen. Dies würde die Automatisierung deutlich vereinfachen und verbessern. Hartman: „Genau darin liegt der Vorteil von JDF für die Druckerei. Sie ist nicht mehr von einem bestimmten Händler abhängig. Stattdessen wählt sie selbst ihre Druckmaschine, ihr MIS und ihre Workflow-Software – sofern JDF unterstützt wird. Das ist vor allem für hybride Druckereien wichtig, die in letzter Sekunde zwischen Offset- und Digitaldruck umschalten müssen.“
Prozess ohne Auftragsmanager
Zu den Initiatoren von JDF zählten Ende des vorigen Jahrhunderts Adobe, Agfa, Heidelberg und MAN Roland. Die Weiterentwicklung wurde vor rund 20 Jahren an CIP4 übertragen. Seither treffen sich die Entwickler der angeschlossenen Anbieter jährlich in sogenannten Interop Meetings, an denen auch Dataline regelmäßig teilnimmt. „Der Vorteil von Interop Meetings: Die Technikexperten setzen sich zusammen und jeder kann seine Wünsche vorbringen und Informationen austauschen. So lassen sich Anpassungen oder Ergänzungen schnell durchführen und testen. Früher waren diese Meetings sehr gut besucht. Mittlerweile gehören wir zu den wenigen MIS-Anbietern, die noch auf den Meetings vertreten sind. Letztes Mal waren es gerade einmal zwei. Scheinbar möchte niemand mehr Zeit und Energie darin investieren.“
Letztes Jahr sprach Hartman das Problem in einer Präsentation auf einem Kongress in München an. „Wir machen uns Sorgen, weil so wenige MIS-Anbieter teilnehmen. Obwohl wir Konkurrenten sind, können wir gemeinsam eine bessere Zusammenarbeit mit größeren Unternehmen bewirken. Kein einziger MIS-Anbieter ist so groß wie Heidelberg, Kodak oder Xerox. CIP4 bemüht sich nach Kräften, aber es wäre wichtig, dass sich noch mehr Anbieter der Plattform anschließen.“
Daher stellt sich die Frage, ob CIP4 ausreichend Marketing betreibt. Wäre es nicht sinnvoll, auf der Drupa 2021 eine schlagkräftige Werbekampagne durchzuführen, damit wieder alle an einem Strang ziehen? Hartman: „Da stimme ich zu. CIP4 muss überzeugende Beispiele für eine vollständige Prozessautomatisierung präsentieren. Abläufe ohne Auftragsmanager sind in unserer Branche möglich. Das bedeutet nicht, dass keine Auftragsmanager mehr erforderlich sind, aber für eine Bestellung von zehn Postern lohnt sich keine manuelle Arbeit. Aufgrund des Fachkräftemangels muss Know-how dort eingesetzt werden, wo es gebraucht wird. Dank Automatisierung können sich Unternehmen stärker auf die Kundenwünsche konzentrieren.“
Robert Hartman ist Business Development Manager bei Dataline
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